Durchboxen
Boxen als Sport und als Spektakel: für die einen kunstvoller Körpersport und die anderen moderner Gladiatorenkampf, für die einen Beherrschung von Aggression und die anderen atavistischer
Ausbruch unzivilisierter Gewalt, faszinierende Melange von Unterwelt und Unterschicht:
Das Boxen ist als Kampf Mann gegen Mann schon immer ein Sujet von Literatur, Film und Theater.
Als Choreografie zweier miteinander im ernsten Spiel verklammerten und sich lösenden Protagonisten
scheint es von allen Sportarten die am meisten theatralische.
Für unser Projekt greifen wir jedoch über diese kulturanthropologische und ästhetische Betrachtung
hinaus: uns interessieren die gesellschaftlichen Konflikte und historischen Ereignisse, die im Boxen
unserer Zeit auftauchen.
Am Beispiel von 4 Boxkarrieren werden diese Ereignisse dargestellt; Boxen ist dabei immer Überlebens-
kampf in bedrohlicher Lage:
– die verschiedenen Boxer der zur „Unterhaltung“ von Wachpersonal und privilegierten Häftlingen
aufgestellten Boxstaffeln im KZ Auschwitz-Monowitz, die ums Überleben kämpften.
– die Geschichte eines Boxers („Mike“) in einem Gym im Ghetto der Southside von Chicago, der im
Boxen eine Alternative zur Gewaltkultur von Drogen und Kriminalität sucht. Und die Geschichte der
strukturellen Gewalt in diesen sich selbst überlassenen und verwahrlosten schwarzen Bezirken .
– die Geschichte des afghanischen Flüchtlings Matullah Ahmadi, geflohen vor dem Krieg und der
Bedrohung seiner Familie, nach einer Odyssee über Persien, die Türkei und den Balkan, durch die
aktive und zunehmende gestaltende Teilnahme am boxcamp aufgefangen. .
– die Geschichte des deutschen Schwergewichtsboxers Charly Graf, seinen Siegen und seinem Absturz
ins kriminelle Milieu, seiner Entwicklung unter dem Einfluss des mit ihm einsitzenden Ex-Terroristen
Peter-Jürgen Boock, sein Comeback aus dem Gefängnis heraus, der Gewinn und Verlust des deutschen Meisterschafts-Titels und seine spätere Tätigkeit als Betreuer und Trainer auffälliger Jugendlicher.
Praktische Umsetzung
in Kooperation mit dem Boxcamp des Sportjugendrings Frankfurt im Gallus werden die 4 Schicksale von (zumeist jugendlichen) Boxern als Kämpfe im direkten und übertragenen Sinn dargestellt. Die Vorgänge werden nicht naturalistisch gespielt, sondern im Dialog, in der Befragung und im Bericht vorgestellt. Professionelle Schauspieler und professionelle Boxtrainer spiegeln die Berichte, befragen die Darsteller und die berichteten Ereignisse.Realistisch werden die berichteten Kämpfe bzw. das Boxtraining gespielt, vor allem das Sparring und die Eingriffe eines erfahrenen Boxtrainers.
Produktionsteam:
theaterprozess: Ilja Kamphues (Spielleiter, Coach und Darsteller), Tanjana Tsouvelis (Darstellerin), Charly Graf (Darsteller, Gast), Ulrich Meckler (Text, Regie, Bühne), Ulrich Meckler, Bernd Löser, Bernd Rößmann (Fotografie), Foto von Charly Graf: Adonis Malamos.
boxcamp gallus: Matullah Ahmadi, Engyn Bayram, Laurence Beutin, Gert Bugdoll, Chris Celetaria, Marin Maglica und andere Boxer
Komposition von Oliver Augst
Musik der Mannheimer Rapper Ronson Smile & John Emotion (Soulmate-Music)
Aufführungen vom 5. - 8. September 2019 und im Frühjahr 2020 im Gallustheater, .
ausführliches Exposè Textstand August 2019 Presse